Grundsätzliches

Der Begriff "Gemeindenahe Psychiatrie" wurde erstmals in der Psychiatrie-Enquête von 1975, dem "Bericht zur Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland", geprägt.

 

Diese wegweisende Empfehlung zielte darauf ab, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen stärker in die Nähe ihres Lebensumfeldes zu verlagern. Dabei wurden drei zentrale Empfehlungen formuliert, die bis heute gelten: eine bedarfsgerechte und umfassende Versorgung aller psychisch Kranken und Behinderten, die Koordination aller Versorgungsdienste sowie die Gleichstellung von psychisch und somatisch Erkrankten.

 

Diese Empfehlungen haben noch heute ihre Gültigkeit und stellen die Anforderungen an eine soziale psychiatrische Versorgung dar.

 

Wir verstehen unter "Sozialpsychiatrie" im komplementären Bereich, dass sich alle Dienstleistungen in den sozialen Kontext eines Menschen einzuordnen haben, dies in seiner gewohnten Umgebung und orientiert an seinen Grundbedürfnissen.

 

Vor diesem Hintergrund richten wir unsere Angebote aus; grundsätzlich ressourcenorientiert und möglichst in überschaubaren kleinen Gruppen. Dabei legen wir großen Wert auf ein "Therapeutisches Team", das sich aus verschiedenen, sich ergänzenden Berufsgruppen zusammensetzt und über hohe professionelle Kompetenzen verfügt.

 

Die Psychosoziale Initiative Moabit ist 1979 vor dem Hintergrund der Empfehlungen der Psychiatrie-Enquete entstanden.

Entstehungsgeschichte

Im Jahr 1979 öffnete im Berliner Stadtteil Moabit, damals im West-Berliner Bezirk Tiergarten, der "Treffpunkt Waldstraße" seine Türen. Diese Einrichtung entstand im Kontext der Psychiatrie-Enquête der 1970er-Jahre, die wesentliche Defizite in der psychiatrischen Versorgung aufdeckte und neue Ansätze zur Unterstützung von Menschen in sozialen oder psychischen Notlagen forderte.

 

Der "Treffpunkt Waldstraße" war eine der ersten Modellprojekte in West-Berlin, gefördert durch das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, um alternative ambulante Versorgungsformen zu erproben.

 

Unter der Leitung der Psychologin Dr. Ursula Plog, die zuvor zusammen mit Prof. Klaus Dörner in einer psychiatrischen Tagesklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gearbeitet hatte, begann die psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle in einer ehemaligen Bäckerei.

 

Die Einrichtung bot einen niedrigschwelligen, offenen Raum für Menschen, die Unterstützung suchten – unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund oder psychischen Zustand. Ziel war es, die seelische Gesundheit der Bewohner des Wohngebiets zu fördern, psychiatrische Karrieren zu verhindern und die Stigmatisierung von Menschen in schwierigen Lebenslagen zu vermeiden.

 

Besondere Aufmerksamkeit galt sozial benachteiligten Personen, psychisch Erkrankten und Menschen in herausfordernden Lebenssituationen wie Arbeitslosigkeit oder Flucht.

 

Der "Treffpunkt" war an sechs Tagen in der Woche geöffnet und bot eine Vielzahl an Aktivitäten an, die sich flexibel an den Bedürfnissen der Besucher

orientierten – von kreativen Projekten wie Malen und Fotografieren bis hin zu Gesprächsangeboten, auch therapeutischer Art. Es wurden bewusst keine Akten geführt, und die Teilnahme war freiwillig und kostenlos.

 

In den turbulenten Anfangsjahren musste das Team lernen, mit Gewalt und Aggressionen umzugehen, da der "Treffpunkt" auch für Menschen offenstand, die sonst in großen psychiatrischen Anstalten untergebracht worden wären. Im Laufe der Zeit entwickelten sich klare Regeln für das Zusammenleben im "Treffpunkt", wie das Verbot von Gewalt und Drogen.

 

In den 1980er-Jahren wurde die Arbeit des "Treffpunkt Waldstraße" erweitert und umfasste nun neben der offenen Beratung und Krisenintervention auch die Nachsorge für Abhängige, therapeutische Wohngemeinschaften sowie Angebote für Kinder und Jugendliche. Nach dem Fall der Berliner Mauer entstand mit der Beratungsstelle "Gegenwind" ein spezifisches Angebot für Menschen, die unter der politischen Verfolgung in der DDR gelitten hatten.

Mit der Zeit wuchs das Angebot des "Treffpunkt Waldstraße" weiter: 1999 kamen eine Tagesstätte, ein Bereich für Zuverdienst sowie Betreutes Einzelwohnen hinzu.

 

Der "Treffpunkt" wandelte sich zum "Tageszentrum Tiergarten", ein lebendiger Ort für Begegnung, Beratung und soziale Teilhabe ist.

Heute

Die Psychosoziale Initiative Moabit e.V. (PIM) ist ein gemeinnütziger Verein und ein freier Träger für die gemeindepsychiatrische Pflichtversorgung von psychisch erkrankten Erwachsenen im Bezirk Berlin-Mitte/Tiergarten.
Der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen steht bei uns im Mittelpunkt. Wir bieten Gemeinschaft, Austausch, Unterstützung und Hilfestellung durch verschiedene Leistungen und bedarfsorientierte Angebote.

  • Kontakt- und Beratungsstelle – Treffpunkt Waldstraße mit integrierter Kontakt – und Beratungsstelle für Geflüchtete und integrierten Arbeitsangebote
  • Projekt Wohnbrücke
  • Tagesstätte
  • Verbundwohnen (Therapeutisches Gemeinschaftswohnen und Betreutes Einzelwoh-nen, mit einer Trägerwohnung)
  • Gegenwind (Beratungsstelle für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur)